Das Schweizer Vorsorgemodell droht zu scheitern

Der UBS-Vorsorgeindex Schweiz ist im zweiten Halbjahr 2021 auf ein sehr niedriges Niveau gesunken. Gründe waren der demografische Wandel sowie die Finanzlage, vor allem in der 1. Säule. Die anstehenden Reformen wirkten sich leicht positiv aus.

Das Jahr 2021 ist vielen Vorsorgeversicherten dank der hervorragenden Anlagerenditen in positiver Erinnerung. «Der UBS-Vorsorgeindex Schweiz, der eine Vielzahl demografischer, wirtschaftlicher, finanzieller und politischer Faktoren berücksichtigt, hält uns jedoch ein anderes Bild vor Augen», warnen die UBS-Ökonomen Jackie Bauer und James Mazeau. Auch wenn sich die Finanzlage der drei Säulen absolut gesehen nicht negativ präsentiere, sei die Entwicklung im Vergleich zum Vorjahr weniger positiv. Und sie ergänzen: «Während das Umlageergebnis der AHV und IV im ersten Pandemiejahr positiv war, rutschte es 2021 wieder in den roten Bereich.»

 

Subindex Demografie wiegt am schwersten
Die Alterung der Bevölkerung ist längst sichtbar geworden, nicht nur in den Statistiken. Vorsorge-Reformen sind deshalb dringend nötig. Der Subindex Demografie unterstreicht diese Dynamik, denn die ohnehin schon rückläufigen Geburtenraten sind seit Beginn der Pandemie nochmals zurückgegangen. Ähnlich sieht es beim Wanderungssaldo aus. Laut den Ökonomen stagniert die Einwanderung erwerbstätiger Personen aber nicht erst seit Ausbruch des Coronavirus. Das werten sie als Gefahr: «Die geringe Einwanderung könnte den durch die hiesige Alterung ausgelösten Fachkräftemangel noch verschärfen.» 

Subindex Wirtschaft zeigt eine noch starke Wirtschaft
Positiv beeinflusst hat den Subindex Wirtschaft gemäss den Ökonomen vor allem die Verbesserung am Arbeitsmarkt und der Rückgang der Arbeitslosenrate. Der Schweizer Franken, ein wichtiger Faktor in der Wettbewerbsfähigkeit des Landes, sei 2021 als sicherer Hafen weniger gefragt gewesen als im Vorjahr. Die Nachhaltigkeit, gemessen an den Staatsschulden, sei zwar leicht negativ, doch habe sich an der Schuldensituation insgesamt wenig geändert. Und der Immobilienmarkt falle nur leicht ins Gewicht, zumal sich die Preise weniger als in den Vorjahren bewegt hätten, wenn auch auf sehr hohem Niveau.

Subindex Finanzlage spiegelt ein Ungleichgewicht
Eine langfristig stabile Finanzlage ist auch für die Sozialwerke sehr wichtig. Laut den Ökonomen ist die 1. Säule davon jedoch am weitesten entfernt: «Auch wenn der AHV-Ausgleichsfonds mit einer horrenden Geldsumme ausgestattet ist, stellt dies lediglich einen Tropfen auf den heissen Stein dar. Man muss bedenken, dass die Ausgaben der staatlichen Vorsorge in den vergangenen Jahren mehrheitlich die Einnahmen überstiegen, und dies in Zukunft mit dem Renteneintritt der Babyboomer noch verschärft wird.» Für die 2. Säule war ‘Jahr zwei’ der Pandemie gemäss den Ökonomen eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr: «Viele Pensionskassen konnten Rekordrenditen erzielen, und dank Anpassungen an das demografische Umfeld, auch die Umverteilung etwas verringern.» Etwas verhaltener lief es in der 3. Säule: «Die Einzahlungen sind 2021 zwar weiter gestiegen, doch weniger stark als im letzten Halbjahr 2020.» Den Grund sehen die Ökonomen im Umstand, dass 2020 viele Einzahlungen auf das Jahresende verschoben worden seien, und 2021 ein viel ausgeglicheneres Jahr gewesen sei.

Subindex Reformen spiegelt Dringlichkeit von Anpassungen
Auf der Agenda von Bundesrat und Parlament standen 2021 Reformen aller drei Säulen. In der 1. Säule konnte eine Vorlage verabschiedet werden. Deren Kernpunkt ist die Anhebung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. «Dies würde die Finanzlage der AHV für wenige Jahre unterstützen und ist positiv zu werten. Allerdings wird der Souverän im Herbst 2022 an der Wahlurne über das definitive Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung entscheiden», kommentieren die Ökonomen leicht skeptisch. Auch die Reform der 2. Säule hat die Politik fast das ganze Jahr beschäftigt. «Eine Einigung ist noch nicht erzielt worden, eine Schwächung der beruflichen Vorsorge durch die Einführung eines AHV-ähnlichen Umlageverfahrens scheint jedoch vorerst abgewendet», so der Kommentar. In der 3. Säule hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, nachträgliche Einzahlungen zu ermöglichen; dieses Vorhaben sollte 2022 abgeschlossen werden. Gemäss den Ökonomen ist der Erfolg von Reformen unabdingbar: «Auch wenn sich die Alterung der Gesellschaft nicht in den kurzfristigen Wirtschaftszahlen niederschlägt, wird es langfristig die Schweizer Wirtschaftsleistung beeinträchtigen, und damit auch den Wohlstand, der nicht zuletzt auf dem Drei-Säulen System beruht.»