Auf die Vorsorgeeinrichtungen kommen massiv höhere Kosten zu
Die Verordnungen zur Strukturreform sorgen vor allem bei den Anlagestiftungen für grossen Unmut. So führe das neue Regelungskonzept in verschiedenen Teilen zu einer erheblichen Benachteiligung der Anlagestiftungen, was nicht im Sinne ihrer qualifizierten Anlegerschaft sei, meint etwa die Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen (KGAST) zum Entwurf der Verordnung über die Anlagestiftungen.
Auch in den neuen Aufsichtsbestimmungen sehen viele eine Bürokratie-Übung, da durch die Schaffung einer Oberaufsicht die zweite Säule stark verteuert und noch schwerfälliger gemacht würde. Die Kammer der Pensionskassen-Experten (KPE) beispielsweise beurteilt die für die Oberaufsicht veranschlagten Kosten als unverhältnismässig. Dass durch die geplante Oberaufsicht allerdings Anlageskandale verhindert werden könnten, bezweifeln viele. Dafür sei die Aufsicht zu weit entfernt von den Vorsorgeeinrichtungen. In der Praxis liessen sich Bestimmungen letztlich umgehen. Wenn Anlagebetrügereien mit dem Geld der Versicherten in der beruflichen Vorsorge aufgedeckt werden sollten, müssten die zuständigen Pensionskassenexperten oder die interne Revision dies erkennen, monieren viele. Diese Spezialisten seien viel näher an den Verantwortlichen in der Pensionskasse als eine Aufsicht das je sein könne.
Revisionsstelle gewinnt an Bedeutung
Mit der Strukturreform werden auch die Bestimmungen betreffend Governance und Transparenz im BVG verschärft. So regelt die neue Gesetzesvorlage die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der verschiedenen Organe, insbesondere des obersten Führungsorgans einer Vorsorgeeinrichtung. Mit der Stärkung der Führungsorgane habe der Gesetzgeber wohl versucht, einen Beitrag zur Vertrauensbildung in die zweite Säule zu leisten, wie manche glauben. Diese Absicht sei mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf aber zunichte gemacht worden.
Neu werden an die Integrität und Loyalität aller mit der Verwaltung einer Vorsorgeeinrichtung oder deren Vermögen betrauten Personen konkrete Anforderungen gestellt. So hat die Revisionsstelle strichprobenweise und risikoorientiert zu prüfen, ob die Offenlegungen zu den Interessenverbindungen und Vermögensvorteilen inhaltlich korrekt sind. Im Einzelfall haben betroffene Personen dazu ihre Vermögensverhältnisse gegenüber den Revisoren offen zu legen. Laut Treuhandkammer dürfe dies nicht der Revisionsstelle zugedacht werden. Ausserdem weise jede auch noch so aufwändig gestaltete Stichprobe nur geringe Prüfsicherheit auf.
Die Aufgaben und Verantwortung der Revisionsstelle werden damit deutlich ausgeweitet. Die Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen liege jedoch klar beim obersten Organ einer Vorsorgeeinrichtung, erklärt etwa der Schweizerische Pensionskassenverband (ASIP). Diese Aufgabe könne nicht durch die Revisionsstelle übernommen werden. Insbesondere dürfe diese nicht das oberste Organ überwachen.
Betriebseigene Pensionskassen sind in Gefahr
Die neuen Verordnungsentwürfe schwächen laut Kritikern die Stellung des paritätischen Führungsorgans derart, dass es für diese unattraktiv werde, eine entsprechende Position zu übernehmen. Überhaupt sei nur schwer vorstellbar, dass Arbeitgeber über das Regelwerk glücklich seien. Die Regeldichte der neuen Verordnungen werde zu erheblichen Mehrkosten in den Vorsorgeeinrichtungen führen. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen, die bisher zu Gunsten ihrer Mitarbeitenden eigene Pensionskassen geführt hätten, kämen damit unter Druck, sind Kritiker überzeugt. Viele Unternehmen würden nun wohl überlegen müssen, ob sich der beträchtliche Aufwand für die umfassende Berichterstattung an die Aufsicht überhaupt noch lohne, wenn die Erträge im Gegenzug durch die höheren Abgaben reduziert würden. Die Schindler Pensionskasse etwa empfiehlt, die Revision der BVV 1 und BVV 2 umfassend zu überarbeiten und die Inkraftsetzung um mindestens ein Jahr zu verschieben. Sie spekuliert, dass die BVG-Kommission bei diesem Revisionspaket kaum aktiv mitgearbeitet haben könne. Stattdessen hätten sich wohl die Technokraten des Bundesamtes für Sozialversicherung in Eigenregie über sämtliche Empfehlungen der BVG-Kommission hinweggesetzt.
Für Vermögensverwalter bedeutet es unter Umständen ein Berufsverbot
Die neue Verordnung BVV 2 stellt auch erhöhte Anforderungen an die Geschäftsführung und die Vermögensverwaltung. Danach sollen künftig nur noch direkt der FINMA unterstellte Vermögensverwalter als externe Vermögensverwalter tätig sein dürfen. Dies schliesst Banken, Effektenhändler, Fondsleitungsgesellschaften, Vermögensverwalter schweizerischer kollektiver Kapitalanlagen und Versicherungen ein, lässt unabhängige Vermögensverwalter aber aussen vor. Für jene, die im Kerngeschäft bis anhin Vorsorgevermögen betreut haben, bedeutet dies ein technisches Berufsverbot und damit den Marktaustritt. Sobald der Bundesrat definitiv entschieden hat, haben sie nicht mal mehr Zeit, ihren Angestellten auf das Ende des Geschäftsmodells hin termingerecht zu kündigen. Denn die FINMA will keinerlei Ausnahmen machen und braucht für die Gutheissung eines Bewilligungsgesuchs beispielsweise für Fondsverwalter zwischen neun Monaten und eineinhalb Jahren. Ohne Umsatz könne jedoch kein Vermögensverwalter diesen Zeitraum überleben. Diese Volumina würden in der Folge für Banken und Versicherungen zur Verwaltung frei, erklärt etwa der Verband Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV).
Protektionismus zu Lasten der Versicherten
Auch die Übertragung der Vermögensverwaltung an Unternehmen mit Sitz im Ausland soll künftig nur noch beschränkt zulässig sein. Vorgesehen ist, dass alle Vermögensverwaltungsverträge zwischen Pensionskassen und ausländischen Vermögensverwaltern künftig schweizerischem Recht unterliegen. Gerichtsstand wäre die Schweiz. Wie Kritiker glauben, birgt diese Bestimmung sehr viel Zündstoff, zumal viele Pensionskassen mit ausländischen Vermögensverwaltern zusammen arbeiten oder Anlagefonds einsetzen, die ausländischem Recht unterstehen. Die Gründe dafür sind zahlreich. So gäbe es für die verschiedenen Arten von Anlagen längst nicht genügend Spezialisten in der Schweiz, wie Branchenkenner monieren. Auch schrieben viele Schweizer Pensionskassen ihre Mandate international aus, um so den Wettbewerb zu schüren und die Kosten zu senken. Müssten sie nun zu Schweizer Anbietern wechseln, würde dies hohe Kosten verursachen, welche letztendlich die Versicherten schädigten.