Liberty News - Mangelnde Geburten schwächen die Altersvorsorge
Die Alterung der Schweizer Bevölkerung schreitet voran, während die Geburtenrate rückläufig ist und die Migration abnimmt. So stehen immer weniger Erwerbstätige für die Finanzierung eines Rentners zur Verfügung. Das Vorsorgesystem leidet.
Der UBS-Vorsorgeindex Schweiz stand 2022 durchwegs im negativen Bereich, wenngleich er den Tiefpunkt des zweiten Quartals hinter sich gelassen hat. Als die dominanten Negativfaktoren erwiesen sich vor allem die demografische Entwicklung und die volatile Lage an den Finanzmärkten. Nachdem die Geburtenrate 2021 deutlich höher ausfiel als der Trend vermuten liess, war 2022 eine Umkehrreaktion zu sehen. Gleichzeitig schreitet die Alterung weiter voran, wie die UBS-Ökonomen James Mazeau und Jackie Bauer festhalten.
Demografie ist die grösste Herausforderung für die Altersvorsorge
Die Migration ist seit Jahren leicht rückläufig, wenn auch mit gleichbleibender Tendenz. Die Alterung der Gesellschaft und die geringe Geburtenrate fallen dafür umso stärker ins Gewicht. Während der Coronapandemie 2021 nahmen die Geburten überdurchschnittlich zu. 2022 folgte dann aber erwartungsgemäss ein ebenso starker Rückgang. Zwar dürfte die Zahl der Geburten mittelfristig wieder auf das Trendniveau zurückkehren, doch würde das auch einen leichten Rückgang der Geburtenzahl bedeuten. Die Alterung der Gesellschaft hingegen steigt weiter an. Das bedeutet, dass immer weniger Erwerbstätige für die Finanzierung eines Rentners aufkommen müssen.
Wirtschaftsstimmung ist getrübt
Nach einer schwungvollen Erholung 2021 hat sich die konjunkturelle Dynamik 2022 deutlich abgekühlt. Die Finanzmärkte waren 2022 von einer lange nicht mehr gesehenen Unsicherheit und Volatilität geprägt, was Faktoren wie die anhaltend hohen Inflationszahlen, dem späten Handeln der Zentralbanken, der restriktiver werdenden Geldpolitik und dem Krieg in der Ukraine zuzuschreiben ist. Diese Faktoren schlugen auf die Wirtschaftsstimmung durch, und da das Vorjahr als Vergleichsbasis überaus erfreulich war, gab 2022 eine abflachende Dynamik zu erkennen.
Der Arbeitsmarkt war zwar erfreulich stark und die Arbeitslosenquote auf einem Rekordtief. Für die UBS-Ökonomen allerdings kein Wunder, denn auch strukturell führe eine alternde Gesellschaft zu Fachkräftemangel, wie sie erklären. Auch der Immobilienmarkt konnte sich trotz wirtschaftlicher Turbulenzen gut behaupten, die Preise sind weiter gestiegen. Die Staatsschulden als Indikator für die Nachhaltigkeit verringerten sich nach dem Hoch in Folge der Pandemie zwar, blieben jedoch auf einem erhöhten Niveau. Vor allem aber die Vorlaufindikatoren liessen nach, die Aussichten wurden fortwährend als weniger gut eingeschätzt. Auch der Wettbewerbsindikator, gemessen an der Stärke des Frankens, war im dritten Quartal 2022 leicht negativ, im vierten Quartal allerdings schon wieder leicht im Plus. Die Währungsstärke war eine Konsequenz der hohen Inflation in den Nachbarländern, weshalb sie für die Wirtschaft auch einfacher zu verkraften war als das in anderen Zeiten der Fall gewesen wäre.
Finanzmärkte ziehen die zweite Säule nach unten
Für die Finanzmärkte war 2022 eines der schlechtesten Jahre seit Langem. Der Subindex Finanzen und vor allem die berufliche Vorsorge wurden zuletzt während der grossen Finanzkrise 2008/09 so stark negativ von den Märkten beeinflusst. Von den drei Säulen ist die zweite Säule den Marktturbulenzen am stärksten ausgesetzt, da dort mehr in risikoreichere Anlagen investiert wird, wie die Ökonomen wissen. Die erste Säule war durch ein höheres Engagement in Anleihen vor allem im zweiten Halbjahr weniger exponiert. Zudem war ihr Einnahmen-Ausgaben-Profil vorteilhafter. In der dritten Säule nahm die Anzahl Konten und Investmentdepots zwar zu, doch litten auch sie unter einer schlechten Finanzmarktperformance. Zudem sank die Erwerbsquote weiter.
Reformen bieten einen Lichtblick für die Vorsorge
Einen Lichtblick bieten zur Abwechslung die Reformfortschritte, die im zweiten Halbjahr 2022 gegenüber den vorangegangenen Quartalen bedeutend waren. Nach 20 Jahren Stillstand gelang wieder eine Reform. Im dritten Quartal stand die Abstimmung zur AHV 21, der Reform der ersten Säule, an. Sie wurde vom Stimmvolk angenommen und damit steigt das Rentenalter der Frauen zwischen 2025 und 2028 auf 65 Jahre an. Ausserdem wird neu vom Referenzalter anstatt vom Rentenalter gesprochen und damit die Flexibilisierung des Früh- und Spätrentenbezugs mit besseren Anreizstrukturen versehen. Zudem verbessert diese Reform die finanzielle Lage der AHV. Im letzten Quartal 2022 rückte dann die zweite Säule wieder in den Vordergrund. Der Ständerat beriet in zweiter Instanz die Vorlage der BVG 21 Reform und schickte diese mit Änderungswünschen zurück in den Nationalrat. Da der Ständerat einer grösseren Anzahl Personen Kompensationszahlungen zuschreiben möchte, würde dies die Nachhaltigkeit der beruflichen Vorsorge weniger stärken als die Vorlage des Nationalrats. Es bleibt also abzuwarten, welche Vorlage das Parlament schliesslich verabschiedet.