Liberty News - Die Umwandlungssätze sinken weiter – und damit auch die Renten
Seit Jahresbeginn verzeichnen die Pensionskassen eine Rendite von +3.7%, wodurch der Deckungsgrad gegenwärtig bei 106.5% liegt. Durch das gestiegene Zinsniveau wird vermehrt die strategische Vermögensallokation überprüft.
Das Anlagejahr 2022 war geprägt vom Krieg in der Ukraine und einem deutlichen Inflations- und Zinsanstieg. Die Pensionskassen haben gleichzeitig Verluste in den beiden wichtigsten Anlageklassen Aktien und Obligationen erlitten. Es war mit einer durchschnittlichen Rendite von -9.0% das schwächste Anlagejahr seit der Finanzkrise. Dies steht in Kontrast zur positiven Rendite des bisherigen Jahres, welche per Ende August 2023 bei +3.7% liegt. Mit dieser erfreulichen Entwicklung gehen Herausforderungen wie rückläufige Wachstumsaussichten, die Folgen der Straffung der Geldpolitik und nach wie vor erhöhte Inflationsraten einher, wie der Complementa Risiko Check-up-Studie zu entnehmen ist.
Verzinsung lag 2022 über dem BVG-Minimum
Trotz der Anlageverluste wurde das Vorsorgekapital der Arbeitnehmenden im Jahr 2022 mit durchschnittlich +2.0% verzinst. Dies ist doppelt so hoch wie die vom Bundesrat festgelegte BVG-Mindestverzinsung von +1.0%, welche von rund jeder dritten Kasse angewendet wurde.
Pensionskassen halten an Immobilien fest
Per Ende 2022 waren 24% des Pensionskassen-Vermögens in «Betongold» angelegt. Immobilien konnten 2022 im Vergleich zu Aktien und Obligationen teils noch Wertsteigerungen verzeichnen, was zur höheren Quote beigetragen hat. Trotz des starken Zinsanstiegs wollen Pensionskassen auch künftig an Immobilien festhalten und heimische Direktimmobilien gar vermehrt ausbauen. Ändern könnte sich die Situation allerdings bei den gehandelten Immobilienfonds: Jede dritte Kasse plant, ihr Engagement in kotierten Schweizer Immobilien zu reduzieren. Dies lässt sich u.a. darauf zurückführen, dass kotierte Fonds im vergangenen Jahr aufgrund des Agio-Zerfalls im stark negativen Bereich schlossen. Anlagestiftungen erzielten weiterhin positive Renditen. Infolgedessen könnten kotierte Immobilienfonds in naher Zukunft weiter an Bedeutung einbüssen. Die Verantwortlichen erachten zurzeit das Zinsniveau als das grösste Risiko im Schweizer Immobilienmarkt, gefolgt von der Furcht vor regulatorischen Eingriffen und Konjunktursorgen.
Obligationenanteil erreicht einen Tiefststand
Die Pensionskassen setzen auf einen diversifizierten Anlagemix. Die Aktienquote lag per Ende 2022 mit 29.5% leicht über dem historischen Mittel der letzten 20 Jahre. Der Obligationenanteil im Portfolio nahm in den letzten Jahren aufgrund des tiefen Zinsniveaus stetig ab. Über die Zeit wurde der relative Anteil der Obligationen zu Gunsten von Immobilien und Alternativen Anlagen deutlich reduziert. Nach den Rückschlägen 2022 beträgt der Anteil an festverzinslichen Werten (inkl. Liquidität) 36.3%. Zum Vergleich: 2013 war es noch knapp die Hälfte des Vermögens. Alternative Anlagen notieren mit einem Höchstwert von leicht über 10%.
Diskussion zur strategischen Vermögensallokation wurde neu entfacht
Mit dem deutlichen Anstieg des Zinsniveaus seit Ende 2021 wurde die Diskussion zur strategischen Vermögensallokation neu entfacht. Aufgrund des neuen Zinsumfelds beabsichtigt jede fünfte Pensionskasse, die Obligationenquote für Staats- und/oder Unternehmensanleihen wieder zu erhöhen, ein weiteres Fünftel führt hierzu noch Diskussionen. Die Mehrheit der Befragten hat aber aktuell keine Erhöhung der Obligationen-Quote vorgesehen. Hierbei ist auch darauf hinzuweisen, dass die Pensionskassenverantwortlichen nach wie vor sehr positiv gegenüber Infrastrukturanlagen und Immobilienanlagen eingestellt sind. Des Weiteren bieten gerade diese Anlagen in Zeiten von höheren Inflationsraten einen gewissen Inflationsschutz.
Technischer Zinssatz: Zinsversprechen für Rentner steigt
Aufgrund der gestiegenen Zinsen haben Pensionskassen wieder mehr Spielraum für die Auslegung des technischen Zinssatzes. So geben rund 30% der Teilnehmer an, dass eine Erhöhung des technischen Zinssatzes geplant ist oder zumindest diskutiert wird. Eine mögliche Trendwende hat bereits im vergangenen Jahr stattgefunden. Nach Jahren stetiger Reduktionen wurde der technische Zinssatz um 0.1 Prozentpunkte auf 1.7% erhöht. Dadurch sinkt die Bewertung der Vorsorgekapitalien, was zu einem positiven Effekt auf den Deckungsgrad führt.
Umwandlungssatz sinkt weiter
Mit knapp 5.3% liegt der Umwandlungssatz 2023 erneut 0.1 Prozentpunkte tiefer als im Vorjahr. Die Pensionskassen entfernen sich dadurch weiter vom BVG-Mindestumwandlungssatz von 6.8%, der insbesondere der gestiegenen Lebenserwartung nicht ausreichend Rechnung trägt. Der versicherungstechnisch korrekte Umwandlungssatz liegt zurzeit bei 4.8% (bei technischem Zins von 1.75% und BVG 2020 Generationentafeln). Ein zum technischen Zinssatz zu hoher Umwandlungssatz führt zu Pensionierungsverlusten, die jüngere Jahrgänge indirekt durch tiefere Verzinsungen bezahlen müssen. Um der Umverteilung entgegenzuwirken, haben Pensionskassen teilweise weitere Reduktionen beschlossen, wodurch der durchschnittliche Umwandlungssatz in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich auf 5.10% sinkt.
Um den Deckungsgrad konstant zu halten, muss aktuell eine Rendite von mindestens 1.9% erwirtschaftet werden. Mit dem aktuellen Anlagemix dürfen Pensionskassen langfristig mit einer Rendite über diesem Zielwert rechnen, ist Complementa überzeugt.
Über die Studie
Die Complementa Risiko Check-up-Studie 2023 wurde zum 29. Mal durchgeführt. Sie basiert auf einem Datenkorpus von 444 Pensionskassen mit kumulierten Kapitalien von mehr als 760 Milliarden Franken.