Das Drei-Säulensystem benachteiligt den Mittelstand
Der Schweizer Mittelstand hat nach der Pensionierung gemäss einer aktuellen Comparis-Analyse keine Chance mehr auf die Weiterführung des bisherigen Lebensstandards. Schuld sein soll eine Fehlkalkulation bei der Säule 3a.
Die in der Bundesverfassung festgeschriebene Weiterführung des gewohnten Lebensstandards im Alter sei für mittlere Einkommen mit dem bestehenden Drei-Säulensystem nicht möglich, behauptet eine aktuelle Comparis-Analyse. Schuld sei eine Fehlkalkulation bei der Säule 3a, wie Comparis-Vorsorgeexperte Leo Hug erklärt: «Der aktuelle jährlich erlaubte Maximalbeitrag in der Säule 3a ist viel zu niedrig. Frauen sollten darum jährlich 12’400 Franken und Männer 10’100 Franken in die Säule 3a einzahlen können.»
Diskriminiert das Schweizer Vorsorgesystem mittlere Einkommen?
Die Analyse des Online-Vergleichsdienstes zeige, dass Frauen mit mehr als 96’000 Franken Bruttoeinkommen pro Jahr und Männer mit einem Jahreslohn von über 105’000 Franken keine Chance hätten, nach der Pensionierung ihren bisherigen Lebensstandard beizubehalten, fährt Hug fort: «In dieser Einkommensklasse den gewohnten Lebensstil im Alter fortzusetzen, ist allein mit AHV- und PK-Renten sowie den Mitteln aus der steuerlich begünstigten Säule 3a nicht möglich.» Das gelte sogar, wenn analog zur AHV während 44 Jahren (Männer) bzw. 43 Jahren (Frauen) der maximal erlaubte Säule-3a-Betrag einbezahlt worden sei, so Hug. Denn im Gegensatz zu den höheren Löhnen, über 129’060 Franken pro Jahr, bestehe für den Mittelstand keine Möglichkeit, mit 1e-Vorsorgeplänen auf zusätzliche Weise steueroptimiert vorzusorgen.
Männer sollten 10'100 Franken in die Säule 3a einzahlen können
Ein lediger Mann mit 129’060 Franken Einkommen (entspricht laut Comparis dem Jahreslohn für mittleres Kader oder Fachpersonen) und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 85 Jahren benötige zum Zeitpunkt der Pensionierung neben den Renten aus AHV und Pensionskasse noch rund 717’500 Franken Erspartes, rechnet Hug vor. Nur so könne er die nächsten 20 Jahre den bisherigen Lebensstandard weiterführen. In die Säule 3a müsse er somit ab dem 20. Altersjahr bei einer Durchschnittsverzinsung von 2% etwas über 10'100 Franken pro Jahr einzahlen können. «Das ist aktuell nicht möglich. Zurzeit liegt der erlaubte Maximalbeitrag bei 6'883 Franken pro Jahr», erklärt Hug. Und er ergänzt: «Männliche Singles mit 120’000 Franken Jahreslohn sollten 8’950 Franken pro Jahr in die gebundene Vorsorge einbringen dürfen. Bei 110’000 Franken Bruttolohn wären 7’660 Franken nötig.»
Karrierefrauen müssten noch weit mehr einzahlen
Noch schlechtere Karten haben laut Hug erwerbstätige Frauen im mittleren Kader. Sie würden im Schnitt 3 Jahre älter und gingen ein Jahr früher in Rente. «Sie müssen also während 24 Jahren neben AHV und PK-Rente auf private Vorsorgegelder zurückgreifen können», so Hug. Und er rechnet vor: «Bei einem Jahreseinkommen von 129’060 Franken müssten sie ab dem 20. Altersjahr bis zur Pensionierung jährlich etwa 12’400 Franken einzahlen. Bei einem Einkommen von 120’000 Franken wären rund 11’000 Franken und bei 110’000 Einkommen etwas mehr als 9’400 Franken jährlich für die gebundene Vorsorge nötig.» Frauen müssten also 83% mehr als heute erlaubt ist in die Säule 3a einzahlen dürfen.
Personen mit Einkommen im Bereich des BVG-Obligatoriums profitieren
Als unnötig stuft Comparis demgegenüber eine Revision der obligatorischen beruflichen Vorsorge ein. «Je nach Schätzung haben ohnehin nur rund 15% der BVG-Versicherten Anspruch auf einen Umwandlungssatz von 6.8%. Für Einkommen im Bereich des BVG-Obligatoriums steht aber bereits ein Netz von Ergänzungsleistungen bereit, das eventuelle Renteneinbussen auffangen würde», begründet Hug seine Einschätzung. Er hat ausserdem berechnet, dass Personen ohne nennenswerte Vermögen etwa in Lausanne mit Ergänzungsleistungen fast gleich hohe Renteneinkommen nach Steuern wie ehemalige Angestellte mit dem maximalen BVG-Salär erzielen würden. Dies unter der Berücksichtigung, dass Ergänzungsleistungen nicht versteuert werden und EL-Beziehende keine Serafe-Abgaben bezahlen müssten.